Grundschaltungen als Vorbilder

Zunächst gilt es einige Begriffe zu klären, die bei der Klassifizierung der Verstärker eine Rolle spielen.

SE
SE ist die Abkürzung für "Single Ended", man hat also nur eine Endverstärkerröhre. Diese Bauart wird bis etwa 20W eingesetzt und hat den Vorteil, mit wenigen Bauteilen auszukommen. Der Nachteil ist, dass Leistung sich in überproportionaler Gewichtszunahme durch die schweren Trafos bemerkbar macht. Bei kleinen Verstärkern ist diese Technik die erste Wahl. Es gibt auch SE Schaltungen mit mehreren Endröhren, diese sind dann parallel geschalten.

PP
PP ist die Abkürzung für "Push/Pull", man hat dabei mindestens zwei Endröhren. Die höhere Schaltungsaufwand wird durch mehr Leistung bei geringerem Gewicht belohnt. Auch ist die Schaltung leichter brummfrei zu bekommen - für größere Verstärker die erste Wahl.

PI
PI steht für "Phase Inverter", die Phasenumkehrstufe. Diese kann aus einer oder zwei Trioden bestehen und bereitet das Signal für die PP Endstufe auf. Es gibt Verstärker ohne PI, die nennt man "selfsplit". Der erste Phase Inverter war der "Paraphase PI", dem bisweilen magische EIgenschaften aufgrund seiner leicht asymetrischen Aufbereitung zugesagt werden. Für Harp ist der "Cathodyne PI" gut geeignet, weil er nur eine Triode verwendet, die keine zusätzliche Verstärkung bringt. Moderne Verstärker haben meist einen "LTP PI" (LongTailedPair), der die größte Leistung bringt.

Tone
Einfache Klangregelungen haben einen Toneregler. Dieser kann ganz unterschiedlich ausgeführt werden. Bekannt ist die "Tweedblende", die Fender seit den 50ern erfolgreich verwendet. Für Harp reicht ein Höhenfilter meist aus. Der Sound ist dann mittig und neigt gelegentlich zu Feedback. Für kleinere Amps ist das aber ganz OK.

ToneStack
Ein Tonestack ist meist eine Toneregelung mit Bass-Mid-Treble. Für Harp hat sich der Fender Stack bewährt, weil er ein Mittenloch bewirkt, also die Mitten um 400Hz absenkt. Das hält das lästige Feedback im Zaum. Durch Modifikation kann man noch bessere Ergebnisse erreichen.

Gain
Gain ist die Verstärkung in der Vorstufe. Es geht hier mehr um Amplitude, weniger um Leistung. Ein Mikrofon hat eine höhere Ausgangsspannung als ein Gitarrenpickup, so muss man die Verstärkung für Harp reduzieren. Aber auch ein Tonestack "frisst" gain. Die Schaltung muss dann anders ausgelegt werden.

6V6 / 6L6
Wir verwenden amerikanische Standardröhren. Man kann im Prinzip jede der Schaltungen mit dem Typ 6V6 (weniger Leistung) oder 6L6 (mehr Leistung) aufbauen. Natürlich sind dazu ggf. weitere Änderungen notwendig.

Und schon wieder greife ich auf Fender zurück. Denn seine Schaltungen sind weitgehend dokumentiert. Die Fülle der unterschiedlichen Modelle macht es schwer, sich genau auf eine Schaltung festzulegen, unterscheiden sie sich oft nur durch zwei Bauteile. Auch kann eine fast identische Schaltung unter verschiedenen Namen laufen. Das ist aber nur ein Problem, wenn man "historisch korrekt" sein will. Die Schaltungen sind alle im Netz zu finden, ich habe vom Sepp ein heiliges Buch geschenkt bekommen, in dem sie alle verzeichnet sind. Dies ist auch die Quelle für meine Bilder.

Ich habe mich nun bemüht, die wesentlichen Schaltungen zu bestimmern, die den Harpverstärkerbastler weiterbringen und habe mich für folgende Schaltungen entschieden:

Tweed Princeton 5F2a

Der bekannteste und einfachste kleine Verstärker ist der "Champ". Der Princeton ist genauso aufgebaut, hat nur einen Toneregler zusätzlich. Deshalb ist diese Schaltung die erste Wahl für einen einfachen SE Harpverstärker. Meine Interpretation der Schaltung ist der Poor Bluesman. In diese Kategorie fällt auch der Harp Gear HGII, der Monsterharp, der Memphis Mini, der Weber 5f2h, der 6L6SE der Lone Wolf Blues Co. und viele mehr. Die Leistung beträgt etwa 5W mit einer 6V6 und 10-15W mit einer 6L6.

Der Blackface /Silverface Champ

Ein weiterer SE Verstärker, der im Gegensatz zur obigen Gruppe einen Tonestack besitzt. Dies ist für Harp eine bessere Lösung, weil man klanglich flexibler ist. Unpraktischerweise wurde bei Fender der Mittenregler meist nicht herausgeführt, der für Harp besonders interessant ist. Auch bei aktuellen Geräten ist öfter so ein Tonestack vorhanden, nur sind die Werte fest eingestellt, man hat keine Regler. So eine Klangregelung schluckt Gain, so dass man hier die Röhrenbeschaltung weniger ausbremsen muss.

In diesen Bereich fällt mein Bluesman SE und auch der Marble Max. Der Max ist sogar eine recht genaue Kopie des Champs und nur wenig an Harp angepasst. Der Toneregler ist der Höhenregler des Tonestacks.

Princeton Reverb

In der Klasse der PP Verstärker wird meist ein Tonestack verwendet. Wer den Sound der "Tone geregelten" Verstärker mag, findet im Fender Harvard 5F10 eine schöne Vorlage. Die meisten werden aber den Schaltkreis des Princeton Reverbs unter Weglassung des Reverbs und des Tremolos schätzen. Eine Vorstufe wie beim Silverface Champ und eine Endstufe mit Cathodyne Phase Inverter. Dieser hat weniger Gain als die später verwendeten LTP Phase Inverter, was vorteilhaft sein kann. 

Der Bassman

Zweifellos sind der 59er Bassman 5F6a und seine Nachkommen sehr beliebte Harpverstärker. Nach ein wenig Röhrenwechsel funktioniert er schon serienmäßig recht gut. Aber als Bastler würde in dieser Klasse mein Augenmerk ggf. auch auf einen anderen Schaltkreis richten - auf den "Pro Amp" 5E5-A. Ein 6L6 Amp mit Cathodyne PI und gegengekoppelter Stufe vor dem Tonestack. Den Tonestack muss man nicht weiter beachten, der wird durch den bewährten modifizierten Stack ersetzt, dann noch die erste Stufe weglassen, noch ein paar Kleinigkeiten .... und fertig ist ein Harpverstärker der Träume. Wenn man jedoch das maximale an Leistung herausholen will, dann empfiehlt sich der LTP PI wie beim Bassman, am besten mit einer 12AU7 bestückt.